Zeit zum Aufstehen

Dieser Blog heißt: „Ein bisschen besser“. Müsste ich gar nicht schreiben, steht ja drüber. Ein bisschen besser bedeutet für uns, dass wir nicht zu den Vordenkern gehören, die nicht wissen, was sie denken, bevor sie hören, was sie sagen, sondern zu den Nachdenkern, die erstmal gar nichts sagen, weil sie gerade denken. Nachdenken hat den Vorteil, gesicherte Erfahrungen auswerten zu können. Vordenken hat dagegen immer was von Hokuspokus, finde ich. Wir haben jetzt ein paar Wochen über Corona nachgedacht, und so sieht das Ergebnis aus: Es ist Zeit zum Aufstehen. 

Das Kernargument all derer, die gerade unsere Freiheit einschränken, die uns verbieten, uns zu treffen, unsere Wirtschaft runterfahren, Länder, Städte und Menschen unter Quarantäne stellen, Pleiten und Arbeitslose produzieren und alle die zu Egoisten stempeln, die widersprechen – das Kernargument all dieser ist ein Anliegen: Sie wollen die Geschwindigkeit, mit der sich der Virus ausbreitet, verlangsamen. Sie wollen Ärzten, Hospitälern und Helfern eine Chance geben, den Überblick zu bewahren. Es geht längst nicht mehr ums Verhindern der Krankheit oder sogar ums Heilen. Es geht nur noch darum, Zeit zu gewinnen. Das Schmerzliche selbst daran ist, dass das, was Menschen stark macht, nämlich die Gemeinschaft, uns in diesem Fall besonders anfällig für den Virus werden lässt.

Wer die Bilder und Berichte der Betroffenen sieht und hört, wer spürt, wie das Virus immer näher ans eigene Haus und die eigene Familie kriecht, weiß diese Anstrengungen zu schätzen. Aber wir glauben nicht, dass das nachhaltig gedacht ist. Wer wirklich nachhaltig denkt, hat nicht die Gesundheit der Menschen oder die Bewahrung der Natur oder den Frieden auf der Welt oder ein verträgliches Miteinander im Kopf. Wer nachhaltig denkt, sagt nicht „oder“, sondern „und“. Wer so denkt, stellt nicht ein Ziel über das andere, sondern versucht in unterschiedlichen Szenarien eine Balance zwischen den Zielen herzustellen. Stakeholder Value anstatt Shareholder Value sozusagen. Oder auch: Demokratie statt Populismus. Demokratie hört zu. Populismus redet ohne Punkt und Komma. 

Und bei der Corona-Bekämpfung brauchen wir keine Populisten, weder die, die „Land unter“ rufen, noch die Verharmloser. Unter dem Motto uns vor Unheil zu bewahren, Grundrechte einzuschränken und den kulturellen Vertrauens-, sowie wirtschaftlichen Totalschaden hinzunehmen, ist genauso daneben, wie Laizzes Faire an den Tag zu legen, damit andere zu gefährden und das Gesundheitssystem in den Kollaps zu treiben. 

Das geht beides nicht, meinen wir. Ein bisschen besser wäre es, wenn medizinische Helfer sich mit allen Mitteln auf die konzentrieren können, die wirklich Hilfe brauchen: die Alten, die vorher schon Kranken, die Schwachen. Die anderen kriegen Taschentücher, Medikamente und halten Bettruhe. Und machen, wenn sie wiederaufstehen, das, was dem Selbstverständnis von Bürgerinnen und Bürgern entspricht: Sie sind der Herzschrittmacher eines Landes, das nur deswegen besteht, weil sie sich in Freiheit zu ihm bekennen und es gemeinsam voranbringen.