Wir müssen öfter Nachtisch machen.

Nachtisch. Das war zu Hause unser Wort für Dessert. Für Mousse au Chocolat, für Creme brûlée – oder Kompott, was es meistens war. Kompott sind Birnen aus der Dose. Oder Pfirsiche. Sonntags mit Sahne. 

„Wir müssen öfter Nachtisch machen“, hat Luise gesagt, Judiths Tochter. Und es war, als hätte sie bei mir die Resett-Taste gedrückt. Denn der Nachtisch war tatsächlich irgendwann aus unserem Leben verschwunden. Zugunsten eines knackigen Salats vorweg oder vielleicht eines deftigen Käses hinterher. Zugunsten von Grappa und Espresso und Zigarette danach. Wir sind nicht süß. Wir sind hart. Männer essen keinen Honig. Männer kauen Bienen. „Aber bitte mit Sahne“, sang der Mann im Bademantel. „Griechischer Wein“, war uns lieber.  

Und dann Luise: „Öfter Nachtisch.“ Luise ist acht, und sie war heute so ausdauernd am Tisch geblieben, wie sonst nie, weil eben die Aussicht auf Nachtisch bestand. Wenn man acht ist, bedeutet Nachtisch Belohnung fürs Essen. Wenn man 80 ist, ist es vielleicht die Pointe eines Lebens, das dann bis 90 dauert. Und dazwischen? Gerät er in Vergessenheit. Wir haben unseren Nachtisch verloren. Wir stehen zu früh auf. Wir springen von einem Thema ins nächste. Ja, uns fällt der Stuhl um beim Aufspringen. Und alles, weil es keinen Nachtisch mehr gibt. 

Judith und ich haben eben eine Creme brûlée bestellt. „Dolce Vita“ würde der Italiener sagen, Betonung liegt auf „dolce“. Süß. Nachtisch. Auferstehung. Abendrot. Abendbrot. 

Nachtisch wirkt nachhaltig auf das, was vorher kommt. Luise hat recht. Und Käse ist auch ein Nachtisch.