Wie wir uns die Freiheit nehmen

Judith und ich spüren in diesen Tagen die Notwendigkeit, über Freiheit nachzudenken. Das liegt daran, dass wir uns das Jawort geben wollen, und das macht man ja nicht eben so. Das wäre ja was: Aus dem Bett steigen, Pipi machen, Ehe schließen, Nachrichten gucken, Bierchen trinken, in die Heia gehen. Nein, wir nehmen das ernst, wir finden, dass es zu zweien ein bisschen besser ist, dass sich die Welt nicht im Selbstgespräch erschließt, dass zwei Augenpaare mehr sehen als eines. Wir wollen die andere Meinung unter unserer Bettdecke hören. Wir nehmen uns die Freiheit, ja zu sagen, ohne uns die Freiheit zu nehmen.

Wir wollen nicht gleich werden, weil uns nichts mehr irritiert als Gleichförmigkeit. Falls mein Bauch noch wachsen sollte, wird Judith darauf herumklopfen und ihn loben, weil er meine Stromlinienförmigkeit so hübsch unterbricht. An Judith habe ich noch keine Unregelmäßigkeiten entdeckt, aber wenn sie dann kommen, feiern wir ein Fest. Eines der Freiheit, bei dem wir ums Lagefeuer tanzen wie die Indianer. „Komm Judith“, werde ich rufen, „lass uns Rothäute werden.“ Und sie wird sich wieder Dreadlocks wachsen lassen, wir werden uns die Friedenspfeife mit Drogen stopfen und lautschießend herumreiten. Vielleicht machen wir uns auch einen Sahnetortenlebensabend. Und ganz zum Schluss lachen wir uns tot. 

Vorher aber zeigen wir all denen die nackten Popos, die im Namen ihrer Moral unser Leben bestimmen wollen. Wir werden das unmoralischste Paar unter der Sonne. Wir werden reden, wie uns der Schnabel gewachsen ist. Bei uns wird der Löwe niemals schlafen und die weiße Taube niemals müde. Und falls das alles nicht klappt, wollen wir jedenfalls wild davon träumen.

„Willst Du so ein Leben mit mir führen?“, frage ich Judith. „Auf gar keinen Fall“, sagt sie, und wir fangen sofort damit an.