Bademantelliteratur

Neulich lasen wir von einem Schriftsteller, dass er sich den Wecker auf sieben Uhr stelle und vor der täglichen Dichterei rasiere und ankleide. Er schreibe nicht im Bademantel, denn dann entstehe nur Bademantelliteratur. 

Wir finden es ein bisschen besser, den Bademantel überzustreifen, vielleicht an einem Dienstag und nehmen gern in Kauf, wenn Ihr denkt, dies sei ein Bademantel-Blog. Ist er vielleicht sogar, und wenn schon! Denn dies wird ein Beitrag gegen die Gedanken aus der Schublade der schon Gedachten. Wir wollen darauf hinweisen, dass wir cool sind und in keine Schublade passen. Besonders Judith nicht, die gerade ein Motiv für diesen Text sucht und rechts von mir auf dem Boden liegt die Kamera in der ruhigen Hand. Doch die Wahrheit sieht anders aus.

In Wahrheit ist der Mensch ein Zwitterwesen. In ihm steckt einer wie Brocken-Benno, welcher an sich Wolfgang Schmidt heißt, und dessen Tagewerk seit mehr als einem Jahrzehnt darin besteht, morgens in Wernigerode im Harz aufzustehen, die 15 Kilometer zum Brocken rauf und wieder runterzulaufen, sich ein Bierchen zu genehmigen und dann aufs Ohr zu hauen. 

Und im Menschen steckt auch einer wie Kolumbus, der eines vormittags nach ganz links lossegelte, um ganz rechts anzukommen, in Indien. Er hatte sich partout in den Kopf gesetzt, dass die Erde keine Scheibe, sondern eine Kugel sei.

Unser Dasein schwankt zwischen Brocken-Benno und Kolumbus. Es kämpft die Gewohnheit mit der Neugier, die Heimat mt der Fremde, die Angst mit der Lust, und die selbstgewählte Zelle ist verlockender als der Roadtrip. Dann ist es gut, zu zweit zu sein. Kolumbus brauchte seinen Brocken-Benno, der mit ruhiger Hand das Schiff auf Kurs hielt. Scheibe, Kugel – wen interessiert das schon, wenn es abends ein Bierchen gibt.