weniger bügeln

Das neue Impfthema heißt Heizen. Vor einem Jahr noch ließ sich jeder dröge Partyauftakt mit einem kleinen Gespräch übers impfen, boostern und die Nebenwirkungen langsam in Fahrt bringen. Heute sind selbstregelnde Thermostate und energiesparende Duschköpfe so Themen, bei denen jeder ein Wörtchen mitredet. Bei uns im Büro wurde gerade abgestimmt, ob wir uns ein Thermometer leisten sollen, damit wir sehen, ob wir frieren. Ich halte Thermometer für etwa so praktisch wie Busfahrpläne: Kannste drauf gucken, aber früher kommt der Bus davon auch nicht.

Ein Freund von uns lebt hervorragend davon, dass er Energiesparratgeber verkauft. 20 Tipps hat er ausgearbeitet, in dem er die Handzettel der örtlichen Stadtwerke vervielfältigte, da kam er schon auf 14 Punkte. Er hat sich dann selber noch welche ausgedacht, wobei sein Lieblingspunkt die Nummer 18 ist: „Weniger bügeln“. „Judith“, sage ich, „ich habe noch ein bisschen bessere“ – „Sachma!“ – „Zusammen in die Badewanne, zusammen unter die Bettdecke“, sage ich. „Oder noch einen Toast oben quer legen, wenn schon zwei drin sind“, ergänzt sie. Ja, Judith ist manchmal sehr praktisch.

Und obwohl wir die gleichen Betriebsstoffe verwenden, sind wir unterschiedlich temperiert. Ich regele zum Beispiel nachts die Körpertemperatur mit den Füßen. Meistens ist mir zu warm, weswegen ich fußfrei schlafe, Judith dagegen benötigt Zudecken an allen Körperteilen außer der Nase. Während ich Schafsäcken wegen mangelnder Fußfreiheit nichts abgewinnen kann, schmiegt sie sich hinein. Ich erkläre das, mit meinem Freiheitsdrang, sie führt auch kein angepasstes Leben, steckt ihre Energie aber lieber anderswo rein. 

Ich glaube übrigens, dass Körperwärme ein individuelles Gefühl ist. Warum sonst spüren wir den 37 Grad warmen Stuhl, auf den gerade jemand anders gesessen hat, wo wir doch angeblich genau die gleiche Temperatur in uns tragen? Weil wir uns über die Unterschiedlichkeit der gefühlten Temperaturen im Klaren sind, machen wir den Temperatursozialismus von 19 Grad auch nicht mit. Stattdessen gehen wir lieber auf eine Party und tanzen, bis das letzte Hemd am Körper klebt.