alterscool

Judith und ich haben heute im Auto gesessen, über die weißen Wolken am blauen Himmel geplaudert, das gelungene Frühstücksei gepriesen und waren ganz eins mit der Straße und uns selbst, als ein Moderator im Radio sagte, dass er erst jetzt im Alter von 50 Jahren so richtig cool geworden sei. Und dann erzählte er von seiner Jugend in Bundfaltenhosen, von seinem Vater, der ihm Sakkos kaufte, und vom Nackenlangenhaar, das aus heutiger Perspektive voll bescheuert auf den Fotos von damals über den Kragen wallt. Ob seine Kinder finden, dass er heute richtig cool sei, wird er nicht gefragt.

Ich habe gerade ein Foto von Judith aus ihrer Jugendzeit gefunden und muss sagen, dass sie da nicht ein bisschen besser, aber auch sehr gut aussah. Ich hätte mich damals schon reinverliebt, aber unsere Wege hatten sich eben noch nicht gekreuzt. Ich habe das Bild an die Pinnwand neben der Garderobe gehängt, wo sonst auch andere Bilder aus unserem Leben magnetisch befestigt sind neben allzeit gültigen Lebensweisheiten wie: „Kannste so machen, wird halt kacke“ und „Der frühe Vogel kann mich mal“. Als Judith ihr Foto am späteren Abend entdeckte, sprang sie auf wie eine Gazelle und entfernte es gründlich. Ganz offenbar glaubt auch sie, erst im Alter cool zu sein, wobei sie natürlich noch nicht alt ist.

Ich hingegen muss sagen, dass ich schon damals eine echt coole Sau war. Meine erste Freundin hätte ich im Bällebad bei Ikea fast geküsst, wenn sie nicht vorher ausgerufen und abgeholt worden wäre. Es war nicht ihre Entscheidung. Ich hatte Locken, trug gerne Halstücher und Slipper ohne Socken. An der Karre hatte ich eine so lange Antenne, dass ich sie runterbinden musste, um unter den Brücken durchzukommen, meine Brille war verspiegelt und Tequila trank ich mit Pfeffer, statt mit Salz, was ein echter Hingucker war. Schlecht wurde einem so oder so. Ich hatte auch Tiefgang, aber erst auf den zweiten Blick. 

„Judith“, frage ich sie, während wir aus dem Auto steigen, „hättest Du mich damals schon geliebt?“ „Ganz sicher“, sagt sie, „nur anders.“ Dachte ich mir doch, denke ich, mache den Oberkörper frei, setze die Brille auf und, was meine Kinder dazu finden, ist mit doch sowas von schnurz.