Weltfrieden

Es ist noch nicht so lange her, da redeten Judith und ich über den Weltfrieden. Er sei ein Ziel aufs Innerste zu wünschen, sagte Judith und ich pflichtete ihr bei. Wir bestellten dann in unserem Stammrestaurant noch ein halben Liter Hauswein, und ich konnte nicht an mich halten und hauchte eher, als dass ich es aussprach: So ewiger Frieden sei auch etwas langweilig, ein wenig zündeln sei vielleicht ein bisschen besser. Als ich das gefährliche Funkeln in Judiths Augen sah, das davon kündete, dass sie bereit war, unsere gemeinsame Zukunft ein für alle Mal in Frage zu stellen, erstarb mein Hauch auf den Lippen.

Seitdem denke ich nur noch still über Krieg und Frieden nach. „Ich dachte immer, alle Menschen seien gegen Krieg, bis ich herausfand, dass manche nicht hingehen müssen“, sagt Erich Maria Remarque, den ich schon deswegen als Schriftsteller mag, weil er ein Niedersachse ist, der später mit schönen Frauen im Tessin lebte. Ich komme auch aus Niedersachsen. Wir sind die, die damals in der Varusschlacht drei römische Legionen vernichtend geschlagen haben, worauf ich ehrlich gesagt immer noch ein bisschen stolz bin und was vielleicht auch meine Liebe zum Zündeln erklärt. „Und ich bin ein Mädchen von der Schwäbischen Alb“, erwähnt Judith, die eine schöne Frau ist, bei vielen Gelegenheiten. Die Schwaben sind mal gegen die Schweizer zu Felde gezogen und haben eins auf die Klappe bekommen. Seither sind sie mehr oder weniger friedliebend. Judith meistens mehr.

Heute aber nicht. Wir planen nämlich eine größere Feierlichkeit, zu der sie unbedingt Pizza Margherita liefern lassen möchte. Ich hingegen finde nichts schlimmer als gelieferte Pizza Margherita. Sie ist stets lauwarm. Wir haben unsere Standpunkte strittig ausgetauscht, ich habe einen Friedensvorschlag gemacht – „Wir müssen das nicht jetzt entscheiden, Liebes“ – sie hat ihn abgeschmettert. Wir befinden uns deswegen im Schützengraben. 

In einem solchen hat der Soldat Paul Rockstroh 1915 vor den großen Schlachten um Verdun gehockt und an seine Frau geschrieben: „Ich bin im Felde recht weich geworden. Wenn ich an Euch denke, und das ist immer der Fall, kommt mir das Wasser in die Augen. Krieg ist doch das Schlimmste, was es geben kann.“ Sein Brief ist erhalten geblieben, und mehr als diese Zeilen wissen Judith und ich auch nicht von Paul Rockstroh. Wir wissen nicht einmal, ob Paul seine Frau wiedersah. Wir haben uns den Feldpostbrief vorgelesen und darüber die Sache mit der Pizza Margherita ruckzuck vergessen.