Unsere Vorweihnachtszeit

Judith und ich wollen diese Woche Weihnachten entgegensegeln. Also eigentlich wollten wir entgegenrutschen, aber das Wetter hat schon wieder von Schnee und Eis auf Wind und Regen umgestellt, weswegen wir maritimer unterwegs sind. Man könnte sowieso meinen, dass wir Deutschen ein Volk von Seefahrern sind, so oft wie jetzt, wo am Horizont das Jahresende entgegentreibt, ein innerer Kompass gefragt ist, um Kurs zu halten, das Ruder nicht 180 Grad herumzuwerfen und womöglich noch jemanden über Bord gehen zu lassen. 

Wir nehmen es uns Jahr für Jahr vor, dieses Ankerwerfen zur Weihnachtszeit. Nicht mehr hart am Wind zu kreuzen, sondern gerade noch diese Welle abzureiten, um dann mit einer Handbreit Wasser unterm Kiel in den sicheren Hafen zu laufen. Eine steife Prise brauchen wir höchstens vom Salz, das auf die Haut der Weihnachtsgans gehört. Wir unterbrechen die Kaperfahrt des Lebens und tragen ins Logbuch ein: Pause. 

Wir entkorken die Pulle und schreiben das letzte Gedicht, das unsere Flaschenpost werden soll: 

„Die Krippe mit Stroh ist immer noch hart, 

Judith entstieg nicht einer Wurzel zart.

Unsere Nacht war weder still, noch war sie heilig, 

also kamt ihr Kinderlein eilig. 

Wenn wir mal ruhen, fangen sie an zu tadeln. 

Und wintergrün sind nicht Blätter, sondern immer nur Nadeln.

Wir naschen vom Dasein mit Gabel und Messer

Mit der Schöpfkelle ginge es ein bisschen besser.“

Und damit tauchen wir ab. Judith als schöne Nixe, und ich als dicker Neptun. „Mein lieber Gott“, sagt sie noch und deutet nach unten. Da glitzert ein Ding. Als ich es mit meinem Dreizack aufspieße, ist es die Schöpfkelle. „Weihnachten kann kommen“, blubbere ich. „Halleluja“, sagt meine Nixe.