Unser letztes Mal beim KSK

Wir treffen uns regelmäßig, stammen aus der gleichen Zeit, und das Leben hat uns gestählt. Wir kennen jeden Weg und auch die Abkürzung dazu. Wir mögen Fleisch, sprechen dem Wein zu und verehren unsere Frauen. Zu später Stunde reißen wir Witze, die nur für unsere Ohren bestimmt sind. Den Zustand der SPD, die Glaubwürdigkeit der Medien und die mangelnde Bildung jüngerer Generationen haben wir um die Zeit schon durchdiskutiert. Aber über echte Freundschaft können wir die ganze Nacht reden und manchmal steht uns dann vor Rührung ein wenig Wasser in den Augen. Wir sind das KSK des Lebens, das Kommando Seltener Kerle, und über unsere Aufnahmeriten will ich an dieser Stelle gar nicht erst schreiben.

Judith und ich haben das Thema scharf diskutiert, als wir am Wochenende mit dem alten Citroen und zwei Flaschen Rotwein im Kofferraum in die Sommerfrische zum KSK-Treffen gefahren sind. „Guck mal“, habe ich gesagt, „steckt nicht in jedem von uns ein bisschen KSK?“ „Das will ich in Deinem Fall nicht hoffen“, hat Judith gesagt, und ich dachte schon, als wir rechts auf die A1 abbogen, ich hätte die AKK neben mir, so ging es zur Sache. Meine Meinung ist, dass zu Elite auch immer Abgrenzung gehört, sonst wäre es keine Elite. Ihrer Überzeugung nach zeichnen sich Eliten dadurch aus, dass sie integrieren können. Sonst fehle ihnen die wichtigste Eigenschaft, und sie wären damit alles andere als Elite. „Ich mach mein Ding, egal was die andern tun“, sang Udo derweilen im Autoradio und outete sich damit als Angehöriger meines Elitebegriffs.

Ich hätte natürlich jetzt eins draufsetzen können und zum Beispiel an die Suffragetten erinnern können, jene Elite der Frauenbewegung die vor 100 Jahren mit Bombenanschlägen fürs weibliche Wahlrecht kämpfte. Die wollten das Gegenteil von integrieren. Aber stattdessen kamen wir an, und der Tag nahm seinen Lauf. Nach dem Absingen fröhlicher Lieder wurden Witze erzählt, wobei die schmutzigsten von den Damen kamen. Gegen Mitternacht war unser KSK dermaßen verschworen, dass zufällig Vorüberkommende abschätzige Blicke auf uns warfen.

Am nächsten Tag hat sich unser KSK dann aufgelöst, ganz freiwillig, weil jeder wieder an die Arbeit musste. So ein KSK auf Zeit, haben sich Judith und ich gedacht, ist eigentlich wirklich ein bisschen besser: Du entwickelst Höchstleistungen in der Truppe, reißt die Welt aus den Angeln, aber stellst montags um 8 Uhr fest, wie beruhigend es ist, dass die Dinge noch immer ihren Lauf nehmen. „Hinterm Horizont geht’s weiter“, hatte Udo auf der Rückfahrt schon genuschelt, und als wir von der A1 abbogen, habe ich meine Hand auf Judiths Bein gelegt.