teilen ist menschlich

Heute haben wir erleichtert aufgeatmet, während die Gans im Ofen zischend Fettspritzer von sich gab: Eine Gans zu essen ist nämlich auch nach dem Treffen der 14 Ministerpräsidenten und zwei Ministerpräsidentinnen nicht verboten. Und auch die Mengenbeschränkung der Mitessenden ist mit fünf Personen auf der einen und einer Gans mit einem Durchschnittsgewicht von vier Kilo auf der anderen Seite exakt richtig bemessen, zumindest wenn es dazu ein Kilo Rotkohl und zwei Speckknödel für jeden gibt.

Wer jetzt eine Gans, 14 Ministerpräsidenten und 2 Ministerpräsidentinnen zusammenzählt, kommt auf 17, was eine Primzahl ist. Wer das Gewicht der Gans zu dem des Rotkohls addiert und die beiden Knödel dazu zählt, kommt auf 7, was auch eine Primzahl ist. Zufall? Wir glauben nicht.

Denn es gibt nur wenige Dinge im Leben, die unteilbar wie eine Primzahl sind. Das ist absichtlich so, denn teilen ist menschlich, es hat sich allerdings verändert: Im analogen Zeitalter teilten wir etwas mit, im Digitalen teilen wir nur noch. Das „mit“ ist weg. Sankt Martin teilte einst seinen Mantel mit einem frierenden Bettler. Heute teilt man seine Meinung zu diesem und jenem, egal mit wem. Dieser Blog ist ein Beispiel dafür.

Judith und ich haben uns fest vorgenommen, unteilbar zu sein. Meistens geht es gut und wir ergeben zusammen sozusagen eine Primzahl. Manchmal schrammen wir zu zweit an der Einheit vorbei. Das ist auch menschlich. Teilen setzt die Mathematik außer Kraft, weil geteiltes Leid halbes Leid ist. Das ist korrekt. Geteilte Freude aber, die doppelte Freude ist, ist nicht korrekt, jedenfalls nicht mathematisch.

Die Verlockung des Lockdowns liegt nun darin, dass das geteilte Leid zu doppelter Freude werden soll, wenn wir es heile überstanden haben. Judith und ich stehen nicht so auf diese Verheißungen aus der Zukunft. Das Leben hat uns handfest gemacht, und wir wissen, es kommt sowieso anders, als die 16 da oben denken, nicht zuletzt, weil die 16 sehr gut zerlegbar ist. Ein bisschen besser wäre es, mit der Impferei anzufangen und bis das Zeug wirkt, die Pobacken zusammenzukneifen. Ich hätte das derbere Wort für Po gewählt, aber Judith sagt, das kannst Du hier nicht teilen. Ich habe darauf still die Gans zerteilt.