Stall oder nicht Stall

Eine türkische Journalistin ist für eine ganz hervorragende Erkenntnis eingesperrt worden, die allein schon deswegen hier wiederholt werden muss: „Wenn ein Ochse in einen Palast einzieht, wird er nicht zum König, sondern der Palast wird zum Stall.“

Das Thema Stall ist eines, das Judith und ich in diesen Tagen stark diskutieren, was daran liegt, das Judith gerade unsere Tochter zur Welt gebracht hat, und wir natürlich für die Zukunft unseres Kindes das beste wollen. Ich bin der Außenpolitiker, der von außen nach innen schaut, der die Schleudern des Schicksals vom wilden Hund bis zur steilen Treppe von der kleinen Prinzessin, die Josephine heißt, abhalten möchte. Judith ist die Innenpolitikerin, die von innen nach außen schaut, die mit der Freiheit im Herzen alles Beschränkende ablehnt. Sie glaubt, dass so ein Stall immer einengend wirkt, dass alle Gitter der Welt nur dazu dienen, um etwa unbotsame Journalistinnen einzusperren. Und Ställchen in der eigenen Bude im übrigen kacke aussehen.

Wenn ich mich an meine Zoobesuche erinnere, die lange her und zum Glück nicht mehr lange hin sind, dann hat mich stets am meisten die Frage beschäftigt, wer eigentlich vor den Gittern und wer hinter den Gittern lebt. Aus Sicht des Affen, der genüsslich eine Banane schälend von Ast zu Ast hangelt, sind jene Menschen, die sich zu hunderten am Gitter entlang schieben, jedenfalls nicht beneidenswert. Freiheit könnte eine Frage der Perspektive sein. Und wenn der Schnee schmilzt, sehen Menschen und Affen, dass die Kacke auf beiden Seiten liegt.

Das entscheidende Detail ist die Tür. Sie ist die Verbindung von der einen in die andere Welt. „Ein bisschen besser ist, eine Tür im Ställchen einzubauen“, verspreche ich Judith, aber die hört schon gar nicht mehr hin. Sie hebt nämlich eben die Prinzessin aus der Wiege, und wenn ich die beiden so sehe, finde ich irgendwie, dass unsere Bude durch sie zum Palast geworden ist.