lustig ist das Nomadenleben

Während draußen der Sonne frühlingshafte Strahlen Amseln mit dick geplusterten Gefieder zum Zwitschern bringen, während drinnen der frisch angekommene Säugling im Zweistundentakt lautstark nach wohltemperierter Milch verlangt, während unsere alte Küche schon gewichen ist, die neue aber noch in der Lieferkette steckt, setzen wir uns in unser Auto und starten in ein Zigeunerleben, von dem wir natürlich wissen, dass es inzwischen anders genannt wird, aber dasselbe meint.

Es meint diese Mischung von Freiheit und Wurzellosigkeit, von Reiselust und Ankommensfreude, das Verstellen der Sender im Autoradio, weil die heimischen nicht mehr zu empfangen sind, die Brotkrumen auf dem Bauch und Schokoladenkrümel zwischen Po und Polster, weil uns während der Fahrt der Hunger überkam. Das Dehnen der Glieder beim kurzen Halt, das Haare in den Wind halten, das gleichmäßige Vorbeiziehen von Landschaften, die sich unmerklich ändern, das Brummen des genügsamen Diesels und das Wimmern des Hundes, der hinter jeder Kurve das Ziel herbeisehnt.

Judith ist schon seit Stunden am Packen, während ich gleich ein paar Shirt lässig in die zerknitterte Tasche werfen und mich lautstark fragen werde, wieso andere so lange zum Klamotten zusammensuchen brauchen. Judith wird sagen: „Du packst ja nur Deinen Kram und ich für die ganze Familie.“ Ich werde augenrollend auf die Uhr blicken und sagen: „Wir kommen nie los.“ Am Ende muss jeder nochmal aufs Klo, und wir vergessen das Ladegerät für die elektrische Zahnbürste, die dann nach fünfeinhalb Tagen mit einer letzten müden Umdrehung am Backenzahn auf Handbetrieb umschaltet. Die Sicht nach hinten rechts versperrt der Kleidersack mit meinem guten Anzug, den ich die ganze Reise nicht auspacken werde. Und Judith hat ihre Handtasche prall gefüllt mit Dingen des täglichen Bedarfs vom Spucktuch bis zum Zehnerpack Masken und ganz unten liegt das Handy, denn von dort klingelt es jetzt.

Die Lieben, die wir besuchen wollen, fragen, ob wir gleich ankommen werden, und wir beeilen uns zu versichern, dass wir längst losgefahren sind, während wir im Hausflur noch verzweifelt den Schlüssel zum Abschließen suchen, der schon im Auto liegt. Die Sonnenbrille, die wir vorhin ins Handschuhfach geworfen hatten, kann nun dableiben, weil es langsam dunkel wird. Die Tankstelle hat sonntags geschlossen, weswegen wir dann doch die teure auf der Autobahn nehmen, und es wäre ein bisschen besser gewesen, wenn ich das Käsebrot vom letzten Mal doch aus der Tasche in der Rücklehne des Vordersitzes entfernt hätte – dann hätten wir jetzt nicht diesen Wunderbaum am Rückspiegel gebraucht. Ja es stimmt: So lustig ist das Zigeunerleben, auch wenn es gar nicht mehr so heißt.