Das Mohrrüben-Prinzip

Die Legende geht so: Die Frau vom Frisör ihr sein Bruder hat eine Russin geheiratet, und sie soll gesagt haben, wenn ihr jedem russischen Soldaten einen EU-Pass anbietet, dann hat der Putin ruckzuck keine Armee mehr. Judith und ich diskutierten auf der Autofahrt in den sonnigen Süden fernab vom Eis des Donbass, ob das Arroganz, Wunschdenken oder ein Konzept ist.

Wunschdenken schließt Judith aus. „Wünschst Du Dir lauter russische Soldaten mit EU-Pass?“, fragt sie. Da gebe es sicher ein paar KGB-Offiziere darunter, und die wolle sie nun wirklich nicht am Büdchen treffen, wo sie abends ab und zu die Zigaretten holen geht. Egal, ob die KGBler da dann mit EU-Pass rauchen oder ohne, sie fände es nicht so schön. Arroganz schließe ich aus, denn ganz objektiv lässt es sich mit so einem EU-Pass in 187 Länder ohne Scherereien reisen, der Russen-Pass bietet eine nicht ganz so große Auswahl. Für einen EU-Pass lohnt es sich also aus dem ungeheizten Panzer zu steigen und Grenzen in Zivil gemütlich mit einem VW zu überqueren. Das hat nichts mit Arroganz zu tun. Bleibt das Konzept.

„Wie heißt denn das Konzept?“, fragt Judith. „Das ist das Mohrrüben-Prinzip“, sage ich: „Hältste dem Hasen eine hin, geht er willig dahin, wo sie ist.“ Was die Mohrrübe für den gemeinen Hasen, sei der Pass für den russische Soldaten. Ich bin einigermaßen stolz auf meine strategische Weitsicht, und wie es mir immer wieder gelingt, Weltkrisen durch einfache und vernünftige Vorschläge und etwas Mutterwitz zu entschärfen. Wir reden anschließend noch übers Skifahren, die kaputte Mikrowelle, den Einkaufszettel, und die beknackte Hündin, der mal wieder durchs Auto tobt.

 „Binde sie doch an“, mahnt Judith. Ich denke ans Mohrrüben-Prinzip und lege auf das mit einer Felldecke eingerichtete Hunde-Plätzchen hinter dem Beifahrersitz ein Leckerli, was die Hündin geflissentlich ignoriert und stattdessen jetzt ins Nachbarterritorium vom Nachwuchs auf der Rückbank eindringt. Wie Putin. „Ab auf Deinen Platz“, brülle ich sie an. Sie macht es tatsächlich für ein Weilchen. Ich glaube, manchmal ist es ein bisschen besser, autoritär zu sein. Jedenfalls vorübergehend.