letzte Tage

Letzter Tag. Wie viele Abschiede haben wir eigentlich genommen? Die kleinen jeden Abend vom Tag in der Gewissheit, dass morgen ein neuer anbricht. Die größeren wie heute am letzten Ferientag von einem liebgewonnenen Ort, der uns umfing wie Heimat. Die ganz großen von Menschen, mit denen wir gemeinsam Lebenskapitel aufgeschrieben haben. „Putzen, packen, pinkeln und dann los“ ruft Judith von hinten durchs Haus und ich schüttele mir das Abschiedslabyrinth aus dem Kopf, in das sich die Gedanken so schön verlaufen können. „Pinkeln“ hat sie übrigens nicht gesagt, um bei der Wahrheit zu bleiben. Ich habe es wegen der drei „p“ hinzugefügt und gehe jetzt trotzdem hinter die Hecke.

Es gibt eine unabgesprochene Rollenverteilung für letzte Tage bei uns: Ich mache das Auto. Judith schmiert die Brote, packt die Kinderklamotten, feudelt die Küche, füttert die Kleine, treibt die Mittleren an, sortiert Schlüssel und Pässe, während ich nochmal den Ölstand kontrolliere. Anschließend saugt sie, stellt die Koffer in den Flur, schreibt noch einen Zettel für die Zugehfrau und füllt die Wasserflaschen, während ich den Gepäckträger nachziehe. Sie wischt den Kühlschrank aus, schmeißt ein letztes Mal die Spülmaschine an und packt ihr eigenes Köfferchen zum Schluss, von dem ich dann frage, ob es wirklich auch noch mitmuss, weil das Auto schon voll ist. Es ist so gesehen kein Wunder, dass ich mehr Zeit für Gedankenlabyrinthe habe als sie. Im Grunde genommen kann ich nichts dafür. Wir sollten unsere Rollen vielleicht doch einmal absprechen.

Aber so unterschiedlich unsere letzten Tage auch vergehen, wir treffen uns am Ende im Auto, wo alles zusammenläuft. Erschöpft, gespannt. Erledigt, geladen. Der letzte Tag ist der Vorspann unseres Roadmovies, das jetzt beginnt und uns zu neuen Abenteuern führt. Es ist ein bisschen besser, letzte Tage als erste zu begreifen. Wir räumen niemals weg, wir bereiten immer vor. Denn irgendwas kommt immer. Und vorher geh ich nochmal hinter die Hecke.