leichter Griff um die Hüfte

Judith und ich arbeiten aktiv an einer Öffnungsstrategie, weil das ja sonst keiner macht. Wir wollen ein neues Kapitel eröffnen. Ach was: ein neues Buch: „Wie ich lernte, ein bisschen besser ohne Corona zu leben“, lautet der Titel. „Corona-Detox“ soll der Kurzratgeber dazu heißen. 

Es geht um vorsichtige Schritte. Nicht gleich eine Party, bei der nackte Oberkörper im stampfenden Rhythmus der Musik ekstatisch zucken. Aber doch gepflegter Walzer mit leichtem Griff um die Hüfte. Nicht gleich Zunge bis zum Hals reinstrecken und so, aber doch auf Abstand die Maske lüpfen und freundlich strahlen. Wir entwickeln eigene Container für gebrauchte Masken, die gesammelt und nachhaltig zu Haarnetzen verarbeitet werden. Desinfektionsmittelspender werden mit Deodorant gefüllt. Besonders im öffentlichen Nahverkehr.

„Und das Wort Hausstand können wir vergessen“, ruft Judith. „Wir laden einfach wieder Freunde ein“, fügt sie gut gelaunt hinzu. Beinahe hätte ich ein genderdurchströmtes „und Freundinnen“ hinzugefügt, aber verkneife es mir doch. Ich möchte die schöne Stimmung nicht trüben und sinniere stattdessen übers Theater nach, wo sich nun die Zeit der gestreamten Ein-Personen-Stücke dem Ende zuneigt. Es entspinnt sich ein abwechslungsreicher Dialog zwischen uns, an dessen Ende wir beschließen unseren Ratgeber um das Kapitel „In-die-Bar-gehen“ zu erweitern. Wir werden empfehlen, den Kaffee bei schönstem Sonnenschein an der Theke zu trinken statt draußen, um die Wiedereröffnung der Innengastronomie zu feiern.

Dass es überhaupt so einen Ratgeber braucht, liegt natürlich daran, dass die Politik wie der Schul-Hausmeister durch leere Gänge schlürft: In den Zimmern hinter den Türen leben Menschen, aber der Hausmeister hat die Schlüssel verbummelt. Und die drinnen haben verlernt, wie es ist: Es gongt, die Stunde ist vorüber, aber keinen drängt es auf den Pausenhof. Niemand rüttelt an der Tür, alle wissen ja – die Schlüssel sind weg. Hausmeister und Eingesperrte, sie kommen uns vor wie vergessene Soldaten, die ihren Krieg spielen, währenddessen ringsherum längst Frieden herrscht. Deswegen rufen wir, so laut wir können: Es geht wieder los. Jetzt. Machen wir was draus!