kleine, schmale Welt

Weil wir ja alle nicht mehr viel erleben und die große, weite Welt zu einer kleinen, schmalen geworden ist, möchten Judith und ich wahrheitsgetreu berichten, was in unserem kleinen Biotop, dem Hinterhof, auf dem wir leben, gerade stattfindet. Und dieser Bericht ist gedacht, als beispielgebend für die Strategien, die uns durch diese kalten Tage helfen, in denen uns selbst der Frühling vergessen hat.

In unserem Hof gibt es sieben Familien, uns mitgerechnet. Ich fange an mit dem Paar links, was mir heute morgen mit dem Einjährigen auf dem Arm und zwei Koffern in der Hand begegnet ist. Sie winkte noch fröhlich und sagte „Tschüss“. Die drei haben Fuerteventura gebucht: oneway.  Falls wir jemanden hätten, der ihre Wohnung mieten möchte, könnte ich sie anrufen. Direkt unter uns wohnt ein älteres Ehepaar mit Zweitwohnsitz auf Malle. Außer deren Auto haben wir seit Wochen nichts von ihnen gesehen. Auch sie haben ihren Platz an der Sonne.

Sehr sympathisch sind die beiden Familien uns gegenüber. Links wohnt eine Musikerin mit ihren Jungs, die für ihr Leben gern „modern dance“ tanzt. Als der Gruppentanz coronabedingt verboten wurde, hat sie im örtlichen Pandemieregelwerk eine Ausnahme gefunden, die da lautet: Selbsthilfegruppen zu therapeutischen Zwecken dürfen tagen. Seither ist aus „modern dance“ die „Selbsthilfegruppe Depression“ geworden, getanzt wird genauso munter. Wahrscheinlich melden wir uns auch noch an. Alternativ hätte ich auch Lust auf die Selbsthilfegruppe „Jodeln“. Etwas strikter sehen es die, die rechts von uns wohnen. Unser letzter gemeinsamer Wein war Glühwein am 23. Dezember. Seither prosten wir uns von Balkon zu Balkon zu. Inzwischen halten wir wieder rosé in der Hand. Wie die Zeit vergeht! Alle anderen hier im Hof haben sich zurückgezogen. Wir sehen sie kaum.

Aus-brechen, Regeln aus-legen, aus-harren, aus dem Sinn sein – das hat die Pandemie, und wie sie hierzulande gehandhabt wird, hervorgebracht. Und weil alles nichts nützt, gibt es nun sogar Aus-gangsverbot. Es ist zum Aus-der-Haut-fahren.

Ein bisschen besser ist es, wie Judith und ich es praktizieren. Wir haben nämlich kürzlich unseren Dr. in Innerer Emigration abgelegt. Wir sind nun promovierte Pandemie-Umgeher. Und das Ergebnis ist phänomenal. Es lautet: Wir machen uns nichts Dr.-aus.