Kandidatensuche
In dieser Woche hat mich mein Lieblingskatalog erreicht. Darin war zu lesen: Diese Strickjacke ist wie Deine Frau: Ihr habt Euch nie gesucht, aber gefunden. Ich war überrascht über so tiefgehende Prosa in einem Einkaufskatalog und habe es gleich Judith vorgelesen. Dabei stand der Wunsch, diese Strickjacke vielleicht in ferner Zeit unterm Weihnachtsbaum zu finden, wirklich nicht im Vordergrund, sondern es ging mir um eine gemeinsame Erörterung des Suchprozesses.
Erzogen im christlichen Glauben ist uns das „Suchet, so werdet ihr finden“ sehr geläufig und bewährt sich ja auch täglich. Judith und ich fahren zum Beispiel beide etwas verlebte Autos, die im Laufe ihres Daseins, alle Schlüssel bis auf den letzten verloren haben, und diesen letzten suche ich häufiger. Mein verzweifelter Ausruf, es koste uns Millionen, wenn der auch noch weg sei, hat inzwischen Legendenstatus. Judith hatte ihn dann damals im Abwascheimer gefunden. Und über die Partnersuche hat die 1950 viel zu früh verstorbene Autorin Helen Rowland im letzten Jahr ihres Schaffens gesagt, dass alle Männer auf der Suche nach der idealen Frau sind, vor allem nach der Hochzeit.
Judith und ich finden nun, dass sich in den 1950 Jahren zwischen Bibel und Rowland nicht so viel getan hat, wie in den 71 Jahren von 1950 bis heute, als der Katalog im Briefkasten lag. Denn tatsächlich ist es ja ein bisschen besser, die entscheidenden Dinge des Lebens nicht zu suchen, sondern zu finden. Strickjacken zum Beispiel. Oder Kanzlerkandidaten. Natürlich gehören dazu Glück und Gottvertrauen und das Restrisiko, nie zu finden, was man nicht gesucht hat. Es gehört auch die Einsicht in Parteikreisen dazu, dass Ungeduld zwar zum Ziel führen kann, aber doch meist zum falschen. Aber im „großen und ganzen“, wie Judith manchmal unsere Diskussionen abschließt und ich weiß dann, dass alles gesagt ist, schenken wir uns zu Weihnachten keine Jacke, sondern eine Gans.