Bewusstseinserweiterung

„Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, ruft Judith vergnügt und schießt ein Foto durch die Windschutzscheibe vom „Sein“ um uns herum: See, Berge, Sonne.  „Das Sein bestimmt das Bewusstsein“, haben sich auch die Dänen gedacht und lassen es seither einfach sein: die Sache mit dem Corona. Jetzt wird gefeiert, dass die Düne wackelt. Corona sei nicht mehr „gesellschaftskritisch“, sagen die Dänen.

Natürlich haben wir das Thema filetiert jüngst bei unserer Autofahrt, als im Radio „Tränen lügen nicht“ dudelte und wir darauf ein fröhliches „Dänen lügen nicht“ anstimmten. Ich höre gerne Sender, die solche Songs spielen. Die Kinder rollen deswegen mit den Augen, machen sich Knöpfe ins Ohr und nehmen mich nicht mehr ernst. Judith nickert ein, und ich bin allein mit meinem Bewusstsein auf der Autobahn Richtung Süden.

Diese Dänen. Sie sagen nicht einfach: „Corona is over“ oder wie es bei ihnen heißt „Corona er forbi“. Nein, sie sagen: „Corona ist nicht mehr gesellschaftskritisch.“ Sie lassen damit die Seuche am Leben, töten aber die Nachrichten über sie. Denn in die Nachrichten kommt nur Gesellschaftskritisches und Corona nun eben nicht mehr. Das ist ein geschickter Schachzug und zeigt, wie die Dänen seit ihrem Prinzen Hamlet dazugelernt haben. Es geht nicht mehr ums „Sein oder nicht Sein“, sondern es geht ums „Raus aus dem Bewusstsein“. Die Niederländer, noch so ein Nachbarvolk, das manches ein bisschen besser macht, nehmen zur Bewusstseinserweiterung Cannabis. Wirkt auch. 

Mein Sender unterbricht das Gedudel und verkündet die jüngsten Inzidenzzahlen. Ich gehe im Geiste durch: Die Impfausweise liegen im Handschuhfach. Das Beutelchen mit Gras haben wir vorsorglich auf der Dunstabzugshaube über dem Herd zu Hause liegen lassen. Mein Blick geht genau dann zum Tacho, als kurz vor Basel bei Tempo 127 ein gut ausgeleuchtetes Foto von uns gemacht wird. „Was das wieder kostet“, denkt mein Kopf, von dem manche sagen, er gleiche Hamlet. „Hoffentlich schärfer als das letzte“, sagt die aufgeweckte Judith nur. Ob ihr bewusst ist, wie schön es ist, mit einer Fotografin auf dem Beifahrersitz durch die Welt zu reisen?