im Tale grünet Hoffnungsglück

Der Sonne entströmt wärmende Wohligkeit, die den Tag angenehm vorüberziehen lässt. Der gegabelte Schwanz der Schwalbe ragt wie ein Victory-Zeichen in den wolkenlosen Himmel. Weiden beugen sich tief über die kräuselnden Wellen des träge dahinfließenden Wassers. Judith räkelt sich hinten im schlaff aufgeblasenen Boot. Wäre ich Goethe, wäre mir genau dieser Satz eingefallen: „Vom Eise befreit sind Strom und Bäche, durch des Frühlings holden belebenden Blick, im Tale grünet Hoffnungsglück.“ Bei Goethe folgt den Wanderern ein schwarzer Pudel. Der Teufel.

Und eigentlich wollte ich mit dem Teufel anfangen. „Klugscheißer“ sollte der Text heißen. Ich hatte das Bild von einem Dixi vor Augen. Darin sitzt einer, der es immer noch besser weiß: Mit Mundschutz ist besser als ohne. Denn so ein Virus schwirrt gerne – sirrrrrrrr – durch die Luft. Handschuh sind ein Muss. Denn der Virus hockt – ich krieg Dich – auf jeder Türklinke. Zwei Meter Abstand gilt auf Teufel komm raus. Vermutlich weil dem Virus nach einmeterachtzig die Puste ausgeht. Im Hausstand lebende Personen haben einen Freifahrschein miteinander, in Sachsen sogar eine weitere nicht im Hausstand lebende Person. Aber nur im Ausnahmefall. Wobei uns das Wort „Hausstand“ im vergangenen halben Jahrhundert auch nicht mehr untergekommen war. Und bitteschön: nur im Umkreis der eigenen Wohnung aufhalten. Wobei niemand nachforscht, wie groß so ein Umkreis ist. Uns erinnert das an die Regel des Heiligen Benedikt, wonach jeder Mönch täglich eine Hemina Wein zu sich nehmen durfte. Selbst die Neugierigsten unter den Benediktiner-Mönchen haben es zeitlebens unterlassen nachzuforschen, wieviel eine Hemina ist. Das war wirklich klug.

Ein bisschen besser ist es nämlich, Dinge, die wir noch nicht wissen, auf sich beruhen zu lassen, bis wir sie wissen. Also, es darf sie natürlich nicht jeder auf sich beruhen lassen, weil wir sie dann niemals wüssten. Aber wenn nur die Berufenen tiefer bohren und die anderen solange meinetwegen eine Hemina Wein trinken und einfach die Klappe halten, wäre das besser. Wir müssten nicht dauernd Vermutungen wie Verkündigungen ertragen. Wir würden seelenruhig warten, bis die Wissenschaft nachhaltiges Wissen schafft, anstatt Halbwissen als Ganzwissen zu verkaufen und selbst darauf reinzufallen wie das Marienkrankenhaus in Saarlouis-Dillingen, wo die Krankenschwestern jetzt in Kurzarbeit gehen mussten, weil sie seit vier Wochen vergeblich auf nicht eingetroffene Corona-Patienten gewartet haben. Die halbe Wahrheit ist eine ganze Lüge.

Und anstatt durchs Lügengebäude zu klettern, sind wir heute eben Boot gefahren. Im weiteren Umkreis und mit Personen, die im weitesten Sinne dem Hausstand zuzuordnen sind und ohne Handy. Nicht damit uns keiner trackt, sondern weil die Dinger, wenn sie nass werden, nie wieder zum Tracken zu gebrauchen sind. Und auch nicht zum Telefonieren. Wir haben Bisamratten am Ufer gezählt, Pflanzen geraucht und von Fledermäusen geträumt. Wir haben uns wie die Piraten gefühlt. Wir hätten eine schwarze Totenkopfflagge gehisst, wenn wir eine gehabt hätten. Wir haben Bonnie und Clyde gespielt, was niemals so einfach geht wie dann, wenn alles vorgeschrieben ist. „Toller Tag“, sagt Judith.