ich will zurück auf die Straße

Eigentlich wollte ich schon auf der Straße sein. Fahren Richtung Süden, laut Musik hören. Den Motor befreit drehen lassen. In den Flow kommen. Aber die Jüngste jammert. Der Schnuller ist rausgefallen. Die Mittlere braucht Geld. Das Handy ist runtergefallen. Die Oma hat der Hund gebissen und Judith hat Kratzen im Hals und Kopfschmerzen. Phänomene, die wir sonst geflissentlich ignorieren, gerade aber nicht. Die Welt schafft einem jedem die Probleme, die er gerade so – das Wort sagt es – beweltigen kann.

Wenn ich rausgehe, sehe ich Thomas Kutschaty. Er ist ein deutscher Politiker der SPD, der gerade in Nordrhein-Westfalen Ministerpräsident werden will. Er möchte die Energiewende managen und mehr Diversität in das Regierungsteam bringen, weswegen er auf einem Wahlplakat mit einer hübschen, möglicherweise farbigen Frau zu sehen ist, und im Hintergrund dreht sich ein Windrad. Wenn ich ein Wahlplakat von mir machen ließe, würde es mich zeigen, wie ich mit der einen Hand in ein hübsches, möglicherweise die Hose voll habendes Baby den Schnuller reinstopfe und mit der anderen die Dachbox am Auto festschraube, denn ohne geht gar nicht mehr. Beide Wahlplakate hätten nichts miteinander gemeinsam, was vermutlich damit zu tun hat, das eines aus dem Leben gegriffen ist, das andere nicht. Ich halte das übrigens für eines der Kernprobleme der Politik.

Judith ist politisch nicht so gefestigt wie ich, dafür raucht sie draußen auf dem Balkon, was ich sehr attraktiv finde. Balkon, Freiheit, Geranien, Abenteuer. Dort steht auch immer ein Aschenbecher, indem Kippen und Regenwasser eine Farbe wie verdünntes Maggi ergeben. Würde es ein solches Wahlplakat von ihr geben: Sie wäre dann meine Auserwählte. Ihr gefällt allerdings das Bild von sich, das sie zu diesem Beitrag gestellt hat, ein bisschen besser. Sie ist wunderschön, stelle ich im Rückspiegel fest und fahre nun wirklich los.