Heute geht die Welt nicht unter

Zoos eignen sich zur Tieraufzucht und für Kindergeburtstage und am ersten vom Töchterchen sind wir da. Vor dem Bassin des Papageientauchers erklärt ein Vater mit langem Bart und kurzer Mütze seinem Nachwuchs etwas über „diesen Pinguin“. Wortlos ziehen wir weiter. Vor dem Terrarium mit dem Leguan zeigt eine Mutter in kühnem Strick ihrem Sohn „den Frosch“. „Das ist ein Leguan“, sage ich zu meinem Töchterchen so laut, dass es alle hören. Zu Hause sage ich Judith, dass diese Städter vielleicht Bio-Gemüse erkennen, aber keine Pinguine von Papageientauchern und keine Leguane von Fröschen unterscheiden können. Ich übertreibe in solchen Fällen bewusst, um den Kern eines Problems freizulegen. 

„Judith“, rufe ich, „in was für eine Welt hast Du unsere Tochter hineingeboren? Ich meine die Welt, in der Pinguin-Papageientaucher-Verwechsler immer weniger Eisbären in der Arktis zählen und deswegen in Düsseldorf aufs Lastenfahrrad umsteigen. Die Welt, in der Frosch-Leguan-Ignoranten sich in Berlin an die Straße kleben, damit in den Alpen die Gletscher nicht schmelzen. Sie kennen nicht die Tiere im Zoo, aber wissen, dass der Planet am Ende ist.“ 

Judith sagt nichts. Sie zaubert mit gelben und grünen und roten Smarties ein Gesicht auf den Geburtstagskuchen. Sie reicht mir die Luftballons und ich weiß, es ist Männersache, sie aufzublasen. Sie drapiert die Tulpen, die ich ihr immer günstig aus dem Discounter mitbringe, so, dass ein fröhlicher Farbfleck in unserem Leben steht. Sie legt rosa Sekt ins Eisfach und zieht die Tafel aus, weil so viele Gäste kommen. Sie wirbelt mit den verschiedensten Kleidern übers Parkett und ich darf natürlich nicht wirklich entscheiden, was sie trägt, aber sie gibt mir das Gefühl, ich dürfte. Sie holt die dicke Geburtstagskerze aus dem Schrank, deren Flamme niemals zittert. Am Ende strahlt das Geburtstagskind von einem Ohr zum anderen wahrscheinlich weder über Pinguine noch über Leguane. Sondern über Ballons oder Smarties oder Judiths Kleid. Genau werde ich das nie erfahren.

Aber es ist ein bisschen besser, sich die Aufzucht der Kinder mit den Frauen zu teilen, denke ich. Wir Männer kämen so ganz von allein doch nur auf abwegige Gedanken.