Weitsicht

Ein Reihenmittelhaus sei eine tolle Sache, sage ich zu Judith, meiner Frau, und überlege, ob wir nicht doch nochmal umziehen. Wir wohnen innen sehr schön mit dunklem Parkett. Von der Lage jedoch kann ich sagen, dass, wenn wir vorne hinausschauen, wir den vorderen Hof sehen, und wenn wir hinten hinausschauen, den hinteren Hof sehen.

Ich preise die Vorzüge von Reihenmittelhäusern in Stadtrandlage mit Garten, der Judith nicht viel Arbeit machen würde, mit Gästezimmer für Schwiegermütter und Kellerräumen für Hometrainer und Buntwäsche. „Und dieses hier“, ich tippe auf das Inserat eines Bauunternehmens, „lässt sich sogar mit einer tollen offenen Küche aufpeppen.“ Judith antwortet, Reihenmittelhäuser mit aufgepeppter Küchenzeile könnten natürlich eine Klassesache sein, aber nicht, wenn der eine an sich ein Baumhaus will und die andere ein Wasserschloss.

Womit wir bei faulen Kompromissen wären. Es sind nicht solche, die sich auf die faule Haut legen und einen nicht weiter stören, sondern es sind solche, die schon von vornherein ein bisschen faulig riechen, und das Leben zwingt einem manchmal solche auf, heißt es. Und das stimmt auch in der Politik zum Beispiel. Da geht es um die Frage, ob wir Panzer in den benachbarten Krieg schicken sollen und dann ist die Antwort: Ja, aber nicht so viele. Alle wissen, dass sich mit 14 Panzern vielleicht eine Reihenmittelhaussiedlung verteidigen lässt, aber wahrscheinlich nicht der Krieg beendet wird. Aber jeder ist zu faul, es zu sagen und dann fängt die Sache an zu riechen.

Das ist bei uns ein bisschen besser. Wir machen keine faulen Kompromisse. Wenn Judith sagt, es geht links rum, dann geht es eben so lange linksrum, bis ich sage, es geht rechtsrum. Unser gemeinsamer Weg gleicht den Serpentinen, die zu jenem kleinen Dorf hinaufführen, wo wir auch manchmal wohnen und wo unser ganz persönliches Wasserbaumschlosshaus steht. Von da aus schauen wir über ein Wolkenmeer zu den fernen Bergen, hinter denen sich die Ewigkeit räkelt. Und ich finde der Kirchturm vorne in der Mitte peppt die Sache irgendwie auf.