Museum oder Bungee-Jumping

Man kennt das: Der Sonntag bricht an, das Frühstücksei ist lauwarm und die Familie diskutiert, was heute ein bisschen besser sei als rumsitzen. Heute, wo draußen der Herbst mal grau, mal golden ist, auf jeden Fall aber nicht verlässlich. Heute, wo morgen auch schon wieder Montag ist und einem das Gestern noch im Kopf hängt. 

Der Gedanke ans nächste Museum ist dann nicht weit: überdacht, meistens nicht unmäßig teuer und das beruhigende Gefühl verbreitend, die eigene Zeit nicht vergeudet zu haben. Sensationen kommen dort selten vor, womit Museen als Gegenmodell zum Herbst durchgehen: Sie sind höchst verlässlich. 

In meiner Zeit, als ich mich noch fast für einen B-Promi hielt, obwohl ich nie im Dschungelcamp war und dort beinahe Sex gehabt hätte, habe ich die eine oder andere Vernissage besucht, mich dazu ausgesucht angezogen, weil es so ist, dass auf solchen Anlässen die Besucher weniger auf die Ausstellungsstücke achten als vielmehr auf die Menschen davor. Meine Frau Judith hat mein Leben auch in dieser Hinsicht verändert. Die-B-Movies im Kopf sind seither verschwunden.

Ich las diese Woche vom ersten europäischen Bungee-Jumper, einem exzentrischen Engländer, der jetzt friedlich mit 78 Jahren im Bett gestorben ist. Er hatte an einem dieser sehr englischen Colleges den Club für gefährliche Sportarten gegründet, war im Frack, mit einer Champagnerflasche in der Hand und einem Seil um die Hüfte von einer Brücke bei Bristol gestürzt, hatte die Nacht deswegen in einer Zelle verbracht und sich den Rest vom Champagner von den Bobbies hinterherbringen lassen. Später ist er dann mal mit einem Piano in Sankt Moritz die Piste runtergesaust, während er eine Sonate spielte. Gefragt, warum er das mache, antwortete er, dass seine Entscheidung stets klar sei, wenn er zwischen einem öden Leben und zum Beispiel dem freien Fall von der Brücke wählen sollte. Er war vermutlich nicht so der Museums-Typ.

Judith und ich haben uns übrigens bei so einer Vernissage kennengelernt. Wir haben uns auf eine Treppenstufe gesetzt und ein Glas Wein getrunken. Es war der aufregendste Augenblick in meinem Leben. Museum kann spannender sein als Bungee-Jumping. Ich liebe den Herbst.