diese Bilder im Kopf

Ich habe diese Tage eine Reise in den mittleren Westen Frankreichs unternommen. Dort angekommen fiel mir auf, dass der Franzose und die Französin einen Sinn dafür haben, was im Kopf diese Bilder entstehen lässt: Eine Bäckereikette, die bei uns im deutschen Westen nach ihrem geschäftstüchtigen Besitzer kurz und knapp „Kamps“ heißt, nennt sich bei unseren Nachbarn „Zum Brot meines Großvaters“. In mir steigt das Bild eines alten Mannes mit Mehl im Bart auf, in dessen Armen es duftet wie in der Backstube vom Weihnachtsmann. Und das Restaurant mit dem italienischen Einschlag, in dem ich noch spät am Abend nach der langen Reise eingekehrt bin, nannte sich nicht etwa „Trattoria“ oder so etwas allerweltliches, sondern der Name war: „Mein Vater war ein Limonadenmacher“. Ich habe mir darauf den Buben vorgestellt, der mit der Schiebermütze und dem zerschlissenen Wollpulli heimlich von den jüngsten Limonadenkreationen des Papas kostet und sich vornimmt, einmal selbst eine Limonade zu brauen, die zum Beispiel unsichtbar macht.

Ich denke, dass Judith und ich künftig auch die Dinge anders benennen sollten. Unser Baby, das einen ganz bürgerlichen Namen trägt, könnten wir zum Beispiel „Der Sonnenschein, der um 5 Uhr 30 strahlt“ betiteln. Judith wäre bei mir „Die Frau, die Du besser nicht vor dem ersten Kaffee ansprichst“ und ich vermutlich „Der Mann, der aufsteht und alles liegen lässt“. Ja, so entstehen Bilder im Kopf. Legenden sind aus diesem Holz geschnitzt.

Die indigenen Völker hatten, als sie noch Indianer hießen, das gut raus: Sitting Bull, Sohn von Jumping Bull, gelang es gemeinsam mit Häuptling Big Foot das siebte Kavallerie-Regiment unter Oberstleutnant George Custer vernichtend zu schlagen. Es wäre wahrscheinlich ein bisschen besser gewesen, Custer hätte sich nicht von seinem Kopfkino leiten lassen. Er hätte den sitzenden Bullen genauso wie den großen Fuß etwas ernster nehmen sollen. Immerhin können solche Bullen ja mal aufstehen und solche Füße auch gewaltige Arschtritte verteilen.

Wenn ich heute Abend zu Judith zurückkehre, werde ich ihr den Vorschlag unterbreiten, dass wir beide künftig „Die Frau und der Mann, die gemeinsam Risotto kochen, dabei Lugana trinken, und auf der Gartentreppe vor ihrer Küche bei Mondschein sitzen, bis sie knallalt sind“ genannt werden. Ich kann mir darunter jedenfalls ein schönes Leben vorstellen.