die Weisheit meiner Frauen

Die Hündin glotzt blöde ins Tal. Unten überm See liegt der Dunst des ersten Tages vom neuen Jahr. Als sei das, was da kommt, noch verpackt. Oder als habe das, was da gegangen ist, noch einen Nebelschweif hinterlassen. Ein Hauch von gestern und eine Ahnung von morgen steigen aus den Tiefen. Die Hündin ist natürlich frei von solchen Gedanken, stattdessen kämpft sie allenfalls mit der Angst vor jenen Böllern, die die letzte Nacht überlebt haben.

Judith und ich und das Töchterchen und die Hündin sind hierauf geklettert. Judith zündet sich jetzt ein Neujahrszigarettchen an. Gute Vorsätze habe sie nicht, sagt sie leichthin, „weil das Leben ja gut ist, wie es ist“. Die Kleine habe ich in einer Art Rucksack auf meinen Rücken gegurtet. Sie hat bis eben friedlich gebrabbelt und ist nun von der Schaukelei selig eingeschlafen. Ein bisschen schnarcht es hinter meinem linken Ohr. Hündin, Frau, Töchterchen – das weibliche Geschlecht ist doch irgendwie unbeschwerter als unsereins, denke ich bei mir und hüte mich solcherlei laut zu sagen.

Aber es ist schon so, dass wir Männer einen Berg Verantwortung mit uns herumtragen: Ist das Holz für den Kamin trocken genug? Das Bier kalt? Wird uns die Rezession zusetzen? Bedeutet die Tatsache, dass die Schuhgröße zugenommen hat, dass ich Plattfüße bekomme? Wann ist der nächste Ölwechsel fällig? Habe ich Judith in den letzten 30 Minuten zum Lachen gebracht? Wird sie mich lieben, wenn ich alt und grau bin? Wo kriege ich die Sardellen fürs Vitello Tonnato her, wenn die Geschäfte heute alle zu haben? Ist der Sinn des Lebens a) Fortpflanzung, b) Drogen nehmen und rumfahren, oder c) einfach leben?

Ja – solcherlei geht mir durch den Kopf, während die Kleine schnarcht, die Judith raucht, die Hündin glotzt und die Nebel wabern. Es ist vielleicht ein bisschen besser, im neuen Jahr die Vergangenheit ruhen und die Zukunft kommen zu lassen. Und genau in der Mitte den Augenblick zu feiern. Ich glaube, ich kann von meinen Frauen noch einiges lernen.