die richtige Wahl

„Sei jetzt glücklich mit mir“, rief ich am Sonntagmorgen, sprang aus dem Bett und mähte den Rasen. Die Aufforderung, die ganz kategorisch in dem Sinne gemeint war, dass ich wirklich wollte, dass es ein allgemeines Gesetz werde, mit mir glücklich zu sein, verfing nicht, wie ich mir das gedacht hatte. Judith jedenfalls fragte, ob das mein Ernst sei, erklärte, dass ihre Vorstellung von Sonntag eine grundsätzlich andere sei, und kam gewaschen vor die Tür, als der Rasen schon halb gemäht war. 

Nun ist die ruhige Bearbeitung der Natur, die regelmäßig erfolgen muss, um ihr ein menschliches Antlitz zu verleihen, eine geradezu meditative Tätigkeit, für die das Brummen eines Benzinmotors am Ende genau die richtige Geräuschkulisse darstellt. Und so rekapitulierte ich an diesem Morgen, die Motorsense schwingend, die emotionale und politische Weltlage und kam zu neuen Erkenntnissen: Der gut gemeinte Imperativ „Sei glücklich mit mir“ schallt derzeit von all den Wahlplakaten, auf denen uns die Kandidaten ihren Weg zum Glück empfehlen. Die einen meinen, es sei eine grundsätzliche Kurve angebracht, die andern raten zu einem Weitergeradeaus, weil die Strecke bis hierhin ja auch ganz gut gelaufen ist. Umkehrer, die den Rückspiegel mit dem Horizont verwechseln, und Aussteiger, die zu Fuß mit dem Wandel Schritt halten wollen, sind auch dabei. 

Und mit einmal ergeht es mir wie Judith, die da nicht mitmacht und zwar nicht nur Sonntagsmorgens. Ich misstraue den Rezepten. Ein bisschen besser, denke ich, ist es doch, wenn ich die Welt auf meine Weise rette. Dazu muss ich, so soviel habe ich vom Erfinder des kategorischen Imperativs behalten, nur so handeln, dass es für alle jederzeit akzeptabel wäre.  Also müssten quasi alle sonntags um halb elf mit der Benzinmotorsense Rasen mähen.

Ich erdrosselte umgehend den Motor. Judith hatte einen Kaffee für uns zwei gemacht. Der Duft mischte sich mit dem Frischgemähten. Ich halte an dieser Stelle fest: Es hat überhaupt keinen Zweck, die Welt allein zu retten.