die Füße vorm Feuer

Wild zuckt der Blitz. Im fahlen Lichte steht der Turm. Die Flamme zischt. Zwei Füße zucken in der Glut. Ja – dieser Conrad Ferdinand Meyer, der hatte es wirklich drauf, denke ich, während Judith Scheit um Scheit ins prasselnde Feuer schiebt, an dem wir uns die Füße wohlig wärmen. Es ist wieder Kaminzeit, die einhergeht mit der Ballade von den Füßen im Feuer und diesem Das-Jahr-neigt-sich-Gefühl. In Wahrheit sitzen wir natürlich genauso wenig oft am Kamin wie andere auch und lesen nicht ständig Balladen. Heute aber machen wir es tatsächlich so, schon weil in dem alten Kasten, in den wir eingezogen sind, die Heizung noch nicht mit eingezogen ist, was angesichts der Energiepreise zwar kalt aber Gold wert ist.

So ein Kamin hat damit neben dem emotionalen auch einen pekuniären Aspekt, den zu vertiefen aber die Atmosphäre heute empfindlich stören würde. Auch die Umweltdebatte, die über den Kaminfeuern tobt wie das Meyeresche Unwetter rund um den Turm, unterbricht die Behaglichkeit vorzeitig, weswegen wir sie entschlossen beiseiteschieben. 

Stattdessen geben wir den Gedanken eine Richtung: Ich frage mich zum Beispiel stets, ob Feuer etwas Lebendiges ist. Einiges spricht dafür: Es braucht Nahrung und Luft, fehlt eins davon, stirbt es. Es hat für mich auch eine Vorbildfunktion, denn lieber brenne ich für etwas, als dass ich kalt bleibe. Ja, ich gehe sogar so weit, dass ich lieber ausbrennen würde, als einfach so zu verblassen. Nur wer Stroh im Kopf hat, fürchtet den Funken der Wahrheit, der insbesondere nach einer Flasche Rotwein vorm Kamin häufiger zu beobachten ist als sonst.

Conrad Ferdinand Meyer gilt übrigens als Meister der Klarheit. Keine Schnörkel. Kein Gezier, sozusagen Bauhaus für die Poesie. „Judith, es ist schön mit Dir am Feuer“, sage ich deswegen jetzt in rührender Einfachheit. „Kannst Du das nicht ein bisschen besser sagen?“, fragt sie und schenkt mir einen Augenaufschlag. „Judith“, sage ich, „mit Dir, diesem einzigen Wesen unter Gottes Sonne, dem ich begegnet und bin und wusste, dass es sich fügt, ist es engelsgleich und wolkenweich in der Hitze der glühenden Scheite Seite an Seite zu verbringen.“ Tja, da wird der Meyer blass und die Judith rot.