be maybe

Neulich war sie wieder in so einem Radiotalk, diese Frage: Berge oder Meer? Der Studiogast kam prompt ins Schleudern, entschied sich dann fürs Meer. Judith und ich haben großes Verständnis für alle, die ins Schleudern kommen. Hund oder Katze? Käse oder Schokopudding? Frühaufsteher oder Nachteule? Blechbläser oder Laubbläser? Ständig sollen wir uns entscheiden, „Don’t be maybe“, lautet der Spruch für die Harten.  Alles ist besser als gar keine Entscheidung: Zieh das Pflaster mit einem Ruck ab, kriegst Du als Kind gesagt, und ja nicht langsam, dann ziept es fürchterlich.

Und natürlich stimmt das. Und natürlich stimmt das nicht. Wir beide fahren gerade aus den Bergen ans Meer. Der Hund glaubt, er sei ein leichtes Kätzchen und bricht mit seinem Hundegewicht durch die die Stoffabdeckung der Hutablage im Kombi. Es ist frühmorgens, die Sonne ist noch fast in Agadir, wir fühlen uns hundemüde, weil wir in so einer merkwürdigen Lebenszwischenzeit sind, in der wir weder die Nachteule noch der Morgengockel sind. In dem Dorf, aus dem wir gestartet sind, tönten schon die Laubbläser und klangen sehr blechern. Die Berge öffnen sich zum Meer. Wir fassen uns bei der Hand und das Einzige, was wir bombenfest wissen, ist, dass wir Frau und Mann sind. Beim Geschlecht gibt’s kein Vertun, Gott sein Dank – geht nicht allen so, sagen sie im Radiotalk. Wenn Judith nicht da ist, zähl ich Schafe. Ich hoffe, sie zählt zum Beispiel Kängurus, falls ich mal nicht da bin.

Ansonsten ist das Leben eine Waage. Sie neigt sich mal zum Schaf, mal zum Känguru. Sie ist fast nie im Gleichgewicht, weil immer ein Vogelschiss zu viel auf einer Seite liegt. Und ein bisschen besser ist es, nicht noch eine Schippe auf eine Seite zu legen. Hund, Katze, Eule, Gockel, Vogel, Schaf und Känguru – „heute bist Du aber ein Fabelwesen, mein Guter“, sagt Judith. „Nein, ein Fabulierwesen“, sage ich und wir lassen die Entscheidung, was ich nun bin, fürs erste offen.