Chaos und Kosmos

An jedem Tag, an dem wir uns ausruhen, kriecht es aus den Ritzen, bedeckt die Böden mit Staub, die Teller mit Krusten und quillt aus den Schubladen: das Chaos. Während ich trotzdem ruhe, vollführt Judith einen geräuschvollen Tanz mit dem Staubsauger, räumt klappernd das Geschirr aus der Maschine und stöhnt lautstark über jedes Hundehaar. Sie wehret den Anfängen, ehe sie anfangen. Ich bin Chaos, die wüste Leere. Sie ist Kosmos, die ordnende Hand, und es ist zwecklos, dass ich mir das Kissen über den Kopf stülpe.

Ich denke an Amu Hadschi. Der Iraner starb eben im hohen Alter von 94 Jahren, er wurde weltweit bekannt, weil er eine ausgeprägte Angst vor Hygiene besaß. Er soll der dreckigste Mann der Welt gewesen sein, laut iranischer Nachrichtenagentur Irna hat er Tierdung aus einem als Pfeife umfunktionierten Abwasserohr geraucht. Nun glauben wir Irna sonst auch nicht alles, aber dass zu viel Sauberkeit krank macht, weiß jeder Pfadfinder. Andererseits ist laut Elite Partners Streitursache Nummer eins unter Paaren die Unordnung, weibliche Unpünktlichkeit kommt erst auf Platz drei, davor nervt noch ständige Handynutzung. Kein Sex ist unter ferner liefen. Es ist deswegen ein bisschen besser, sich eine Zugehfrau zu leisten, wegen der Unordnung meine ich, und das kommt am Ende billiger als Paartherapie. Wir machen das deswegen längst.

Und wissen eben, das Chaos und Kosmos ein Paar sind wie Bonny und Clyde, den einen kann es nicht ohne den anderen geben. Zusammen streifen wir durch die Mathematik, wo Chaos durchaus begrüßenswerte dynamische Systeme sind und appellieren ans Mitgefühl, wenn wir über unserer Eingangstür meißeln: „Ohne uns hätte das Chaos kein Zuhause.“ Und wenn wir ruhen, träume ich, dass Judith mir das Abwasserrohr stopft und ich mein Pfeiflein rauche. Leider ist das aber nur ein Traum.