außenpolitische Bestimmung
Wir haben diese Woche unsere Außenbeziehungen und Grenzen überdacht, Judith und ich. Zum Beispiel zu China. „Wirtschaftlich wichtig, aber die Menschenrechte“, sage ich. Judith fragt: „Wie meinst’n das?“ Ich zeige auf das Gummiboot, das wir für eine Flussfahrt bei Sonnenschein gekauft haben: blau und Made in China. Es war günstig, aber an den Nahtstellen, wo der Kunststoff verklebt ist, ist es dermaßen scharfkantig, dass sich jeder, der sich daran hochzieht, blutig ratscht, was besonders an den Brustwarzen schmerzt: Wirtschaftlich wichtig, aber die Menschenrechte eben.
In der Frage der Beziehungen zum Vereinigten Königreich bin ich ganz auf mich selbst gestellt. „Ich bin froh, wenn ich mich hier auf meinen Kram konzentrieren kann“ sagt Judith. Sie ist, denke ich, manchmal wirklich wie Boris Johnson. Der konzentriert sich dauernd auf seinen Kram. Auf neue Tapeten in Downing Street genauso wie auf sein Land, dem die EU jetzt schnurzpiepe, oder wie der Brite sagt: „indifferently“ ist. Auf seine Haarpracht konzentriert er sich offensichtlich weniger, wobei ich von Judith weiß, welch enormer Zuwendung ordentliches Chaos bedarf.
Unsere sonstigen Außenbeziehungen sind sortiert. Wir gehen dort kreisförmig vor: Wir pflegen innige Beziehungen zu einigen wenigen Familien. Verwandte sind in diesen Kreis geboren und Freunde wachsen hinein. Wir unterhalten diplomatische Beziehungen zu einem großen Kreis, manchmal bestellen wir allerdings schon mal den Botschafter ein. Wenn das nichts hilft, frieren wir die Beziehung ein, wie kürzlich zu Nachbarn, die nicht wollen, dass wir auf ihren Balkon gucken. Seitdem warten wir auf Tauwetter, sind aber geduldig. Wenn es im Innenverhältnis gut läuft, sind Außenbeziehungen eine Bereicherung. Wenn es intern knirscht, sind sie eine Notwendigkeit. Judith und ich befinden uns einwandfrei im Zustand der Bereicherung.
Eine Welt ohne Grenzen, in der der Wohlstand gleich verteilt ist, sei das Ziel, heißt es im aktuellen Wahlprogramm der Linken, das ich am Wochenende gelesen habe. Klar ist das besser, aber ein bisschen besser sind Grenzen, die wir beispielsweise überspringen, umschmuggeln, niederreißen, einebnen oder einfach passieren können. Außerdem möchte ich meinen Wohlstand so verteilen, dass der Kühlschrank zu Hause nicht ständig leer ist. Vor diesem Hintergrund sprechen sich Judith und ich klar für Grenzübergänge aus. Zu Freunden, zu Nachbarn und zu China.