angespannt und davongekachelt

Wir missverstehen immer wieder Menschen, die sagen, sie müssten mal ausspannen. Schon dieses Wort ist Wilder Westen: Ausspannen lassen sich Pferde, die die Kutsche ziehen, wenn sie erschöpft sind. Wenn schon Wilder Westen, dann ist es ein bisschen besser, das Leben wie ein ungestümes Pony zu nehmen, das Du reitest, bis es Dich abwirft. 

Also haben Judith und ich neulich angespannt und sind nach Italien gebraust, wo wir mal im Überschwang der Gefühle in einem Dorf ein Gemäuer gekauft haben, das an der Via Palazzone liegt, weswegen wir glauben, dass es der Palast ist. Für uns ist es jedenfalls einer. Andere bemerken, dass die Läden windschief vor den klappernden Fenstern hängen. Das Erdgeschoss duftet modrig und von der verblichenen gelben Fassade blättert der Putz. Der Park, wie wir ihn nennen, ist ein Paradies vorrangig für Brombeeren, und die Handwerker, die wir vergangenes Jahr beauftragt hatten, spannen seither ein wenig aus. 

Das neue Bad hat keine Kacheln, weil die vergangenes Jahr bestellten, doch erst dieses Jahr bestellt wurden, und in unterschiedlichsten Maßen ankamen. Ohne Kacheln mag der Klempner das Klo nicht anbringen und der Elektriker kommt nicht, bevor die Kacheln gekommen sind. Als wir dem Kachelmeister auf die Füße treten wollten, hatte das schon jemand gemacht, er hatte jedenfalls wegen Betriebsunfall geschlossen. 

Ansonsten ist das Dorf geschäftig. Ab sieben knattern dreirädrige Lastwagen zum Café, Männer trinken morgens Wein und hinter dem Tresen des Tante-Emma-Ladens stehen Emilia und ihre Tochter, geben die Panini heraus und das Wechselgeld zurück. Alles ist sehr fröhlich und angespannt, weswegen wir unsere Handwerker weder bei Emilia noch im Café finden, denn sie spannen ja aus.

Wo zum Teufel, frage ich Judith, liegt der Ort, wo Handwerker ausspannen? „Nicht in unserem Leben“ ruft Judith mir zu, während sie ihrem Pony die schicken Cowboystiefel in die Flanken bohrt und davonstiebt. Manchmal ist das Leben ein Missverständnis. Macht nichts, denke ich und kachele hinterher.