Wie wir den Nomaden in uns zähmen

Neulich haben meine Frau Judith und ich einen kurzen Hüpfer gemacht: Wir sind ins Flugzeug gestiegen und acht Stunden nach Osten geflogen. Ins Reich der wilden Kasachen. Wir haben uns dort die Welt-Nomaden-Festspiele angeschaut: Ziegenpolo, Adlerjagd, Bogenschießen und solche Sachen. Anschließend sind wir – schwupp – wieder zurück. Der Grund: Ich wollte Nomadentum tanken und hatte Judith überredet, mitzukommen. 

Wir sind durch die Straßen der fremden Hauptstadt gezogen auf der Suche nach einem Café, doch es gab keines. Wir haben Taxifahrer angeplaudert, doch unsere Sprache war ihnen zu fern. Wir haben die Kellnerin im Hotel, in dem wir schließlich zu Abend aßen, auf ein Schwätzchen eingeladen, aber sie wollte nur die Rechnung beglichen haben. Wir haben Spaghetti und Burger verspeist, was nicht sehr nomadisch schmeckte. Ich habe dann zu Judith gesagt, dass eine Nomaden-Stadt schon ein Widerspruch in sich sei. Hier sei keiner zu Hause. Das Unstete treffe aufs Sesshafte, weswegen das hier nichts werden könnte.

Sie schaut mich an. Hält sie mich für den Unsteten? Ich gebe zu: Ich halte die Wildbeuterei für ein bisschen besser. Ich glaube: Von Krieg bis Arthrose – die Probleme der Gegenwart haben mit dem Sesshaftwerden begonnen. „Mein Leben ist deswegen die Jagd, meine Gangart der Galopp, und wenn ich einmal fallen werde – dann bitte im vollen Lauf“, erkläre ich ihr. Sie wiegt den Kopf.

Judith ist die, die die Nester sucht. Sie baut die Zelte, an denen ich zerre. Sie hat uns das Dach überm Kopf im Rheinland besorgt, das unsere eine Heimat ist. Und sie hat den alten Palazzo in Italien klar gemacht, der unsere zweite Bleibe wurde. Bevor sie den Tag anwirft, sitzt sie dort in der aufgehenden Sonne auf dem steinernen Treppchen, das zur Küche führt. 

Manchmal betrachte ich sie so von hinten, ohne dass sie mich bemerkt. Mein Herz macht dann einen kurzen Hüpfer. Auch Nomaden können sesshaft werden, denke ich. Sie brauchen dazu allerdings einen verdammt guten Grund.