plötzliches Karriereaus

„Judith“, habe ich gesagt, „ich möchte etwas zu Ende bringen.“ „Das sieht Dir gar nicht so ähnlich, Du fängst je mehr Dinge an, als dass Du sie zu Ende bringst.“ Ich hätte jetzt charmant lächeln und sagen können, dass manches eben für die Ewigkeit gedacht sei. Aber heute nicht. Heute gucke ich Thomas Gottschalk und beende damit offiziell meine 52jährige Karriere als Fensehzuschauer. 

Sie hat begonnen am 16. Juli 1969, und ich erinnere mich an einen geliehenen Schwarz-Weiß-Kasten bei Oma auf dem Nierentisch. Mondlandung. Ein großer Schritt für mich, der ich ins Fernsehzeitalter eintrat. Judith war damals noch auf dem Mond zu Hause oder auf einer Wolke daneben, ihr erste Sendung hieß später „Löwenzahn“. Es folgten in dieser Reihenfolge: „Väter der Klamotte“, „Paulchen Panther“, „Ein Colt für alle Fälle“. Ich hatte ein Zeitbudget von zwei Stunden in der Woche fürs Fensehgucken. „Mehr macht doof“, erklärten Oma, Opa, Papa, Mama in seltener Übereinstimmung, weswegen ich nur sonntags, wenn sie alle noch ihr Mittagschäfchen hielten, heimlich wartete, dass das Testbild gegen 16.20 Uhr verschwand und das Programm einsetzte. Ja, das Programm: Es ging von kurz nach vier bis Mitternacht, dann war es alle.

Nach Peter Alexander, Hans Rosenthal und Rudi Carell kam irgendwann Thomas Gottschalk. Das alte Zeitbudget hätte nicht für die Hälfte seiner Show gereicht. Wir schauten Western bis in die Puppen, und einmal kamen wir morgens nicht rechtzeitig zur Reise in die Ferien aus dem Bett, weil wir die ganze Nacht ein Elvis-Konzert verfolgt hatten. 

Anfangs merkten wir es nicht. Das Fernsehgerät war nur umgezogen, vom Wohnzimmer ins Schlafzimmer. Später dachte ich, dass es dort gut war zum Einschlafen, wenn der Kopf mal wieder keine Ruhe gab. Mit dem Aufkommen von Judith verschwand er dann ganz, der Fernseher, und das war ein bisschen besser so.

Letzten Samstag schließlich haben wir nochmal einen ausgeliehen. Wir haben alle „Wetten dass“ geguckt. Die Kinder, der Hund, Lieblingsfreunde und wir beide. Der beste Freund war etwas unbotmäßig und fragte, ob das die neueste Folge von „Jurassic Parc“ sei, aber bei der Baggerwette war auch er endlich still. Thommy hat noch etwas überzogen, doch dann war auch das vorbei, und ich habe meine Fernsehkarriere an den Nagel gehängt. Als ich heute aufwachte, hat Judith mich gefragt. „Junger weiser Mann, was machen wir jetzt Schönes?“