Nicht alles ist für immer

Eigentlich haben wir es nicht so mit Pop-up. Pop-up sind diese ungebetenen Erscheinungsformen auf der Bildfläche, die so hochpoppen. Ursprünglich auf dem Computer. Jetzt aber auch im Stadtbild. Es gibt Pop-up-Stores, die immer dann, wenn wir sie wahrgenommen haben und gerade hingehen wollen, wieder verschwunden sind. Am Flughafen trafen wir neulich einen Pop-up-Pianisten, dessen Klänge durch leere Hallen strömten. Es gibt neuerdings Pop-up-Museen: Etwa im sachsen-anhaltinischen Eisleben, wo der Künstler Thomas Jeschner in der Regionalgeschichtlichen Sammlung der Lutherstadt ein vielschichtiges Kunstprojekt am Dienstag von 10 bis 13 Uhr umsetzt, wie die Stadtchronik aufmerksam notiert. In Hamburg gibt es Pop-up-Fahrradwege ausgerechnet auf der Reeperbahn, wo Poppen ursprünglich eine ganz andere Gedankenwelt beschreibt. Und Singapore Airlines hat zwei seiner Flugzeuge, die wegen Corona am Boden bleiben müssen, kurzerhand zu Pop-up-Restaurants erklärt und serviert Bordessen am Boden.

Gerade das letzte Beispiel macht sehr schön deutlich, warum wir Pop-up nicht so sehr mögen. Wer schonmal im Flugzeug außerhalb der sündhaft teuren ersten Klasse, die nur die benutzen, die nicht selber zahlen müssen, gegessen hat, weiß, dass die Mahlzeit wahlweise lauwarm oder in Soße ertränkt oder nur unter zur Hilfenahme der ganzen Salztüte geschmacklich prägnant wird. Meistens passiert alles auf einmal und am Ende bleibt mehr benutztes Einmalbesteck übrig, als zuvor überhaupt Essen da war. „Pop-ups sind gelebte Einmalkultur und das Gegenteil von nachhaltig“, habe ich Judith erklärt und fand mich dabei sehr überzeugend. Sie nickte.

Ich äußerte mich zu dem Sachverhalt, als wir in dem Szeneviertel, in das wir jüngst gezogen sind, am Samstagmorgen zum Markt gingen, der dort wöchentlich aufpoppt. Anschließend wollten wir noch bei Bekannten vorbei, die ihren Keller aufgeräumt und dort allerlei gefunden haben, was sie nun nett drapiert in ein Pop-up-Schaufenster mit dahinterliegendem Verkaufsraum gestellt hatten. Ich muss zugeben, dass das in der beginnenden vorweihnachtlichen Zeit eine lukrative Idee sein könnte. Und auf dem Rückweg habe ich deswegen mit der gleichen Überzeugung erklärt, dass es durchaus ein bisschen besser ist, wenn nicht alles gleich so nachhaltig daherkommt, sondern manches so schnell verschwindet, wie es gekommen ist. Sie nickte.

Das war, wie gesagt, Samstag. Judith und ich haben dann das Wochenende damit verbracht, unser Leben in Pop-up und Sustainable einzuteilen, also in kurzfristig und nachhaltig, wie wahrscheinlich früher jemand gesagt hätte. Corona haben wir übrigens in den Bereich Pop-up einsortiert. Seitdem geht es uns richtig gut.