Liebe Lesende…

Judith und ich geben zu, dass wir bis so circa zum 18. Lebensjahr, also noch gar nicht so lange her, über ein festgefügtes Weltbild verfügten, in denen Innenarchitekten nicht ganz oben standen, weil wir dachten, dass für das Innen jeder selbst zuständig ist und es sich so einrichten kann, dass der Mensch sich darin wohlfühlt. Angesichts des Siegeszugs der Innenarchitektinnen haben wir unsere Haltung jetzt noch einmal überdacht.

Es ist richtig, dass die weibliche Form wortarchitektonisch über Epochen unterrepräsentiert war, das „-innen“ kam selten vor, allenfalls bei Königinnen oder Prinzessinnen. Das Maskulinum herrschte munter über die Sprache innen wie außen: Beamte saßen in ihren Büros, Spaziergänger spazierten auf der Straße. Es ist allerdings nicht richtig, dass mit der männlichen Wortform immer nur die Herren gemeint oder assoziiert wurden. Ich erinnere mich gerne an die eine oder andere Spaziergängerin, bei einer Beamtin müsste ich einen Augenblick länger nachdenken. 

Der Wortprofi spricht hier vom „generischen Maskulinum“, wobei generisch heißt, dass das Femininum inbegriffen ist. Wer heutzutage Geschäftsberichte liest, findet häufig die Fußnote, dass das „generische Maskulinum“ verwendet werde. Die Fußnote ist eine Art Entschuldigung, dass die Autoren und Autorinnen im Text nur die männliche Form verwandt haben, sich der Problematik aber sehr wohl bewusst sind, sie aber trotzdem nicht ändern wollen. Das Grundsatzprogramm der FDP kommt da aufrichtiger daher, dort ist von den „Freien Demokraten“ die Rede. Die Demokratinnen sind auch angesprochen, nur steht das nirgends, sondern wird als bekannt vorausgesetzt. Bei der „Generalsekretärin“ allerdings ist die FDP genau, sie hat sie jetzt entlassen und prompt hat FDP-Chef Christian Lindner ein Problem mit der Frauenfrage.

Neben dem „generischen Maskulinum“ gibt es als Ausweg noch das vom Partizip ins Gerundium gebeugte Verb im Plural. Judith und ich haben gestern ein lustiges Spiel gemacht: „Bist Du heute unter den Frühzubettgehenden?“ hat sie gefragt. „Ja, aber nur, wenn Du zu den Mitmirlesenden gehörst“, habe ich gesagt und wir lachten beide herzlich.

Ein bisschen besser ist es, wir überlassen die professionelle Einrichtung unserer Sprache weiter den Innenarchitekten. Judith und ich haben nach einigem hier dokumentierten Nachdenken unser Weltbild aufrechterhalten und machen es uns innen am liebsten selbst gemütlich.