einfach mal hin

Wenn Feierabend ist, fangen Judith und ich an zu träumen. Beispielsweise von Geschäftsideen. Seitdem ich von einem Unternehmer gelesen habe, der ausschließlich Möbelstücke für Läden herstellt, die Apfelsahnetorten verkaufen, denke ich über eine gebratene Tauben-Wurfmaschine nach. Judith ist eher praktischer orientiert und träumt von einem Auto zum Ausziehen wie eine Ziehharmonika, wenn mehr mitfahren, wird es länger.

Während wir unseren geistigen Tüfteleien nachgehen, dödeln die Kinder am Handy, wie sie das schon heute Morgen gemacht haben. Und heute Mittag auch. Manchmal führen sie auch den Hund aus. Es ist nämlich so, dass die Jüngste, derzeit nur einmal die Woche Schule hat. Sie muss laut Hygieneplan dann jeweils mit zwei frischen Atemmasken erscheinen, einzeln vortreten zum Händewaschen und bei geöffneter Toilettentür das verrichten, was man sonst bei geschlossener macht. Die Woche wurde daraus allerdings nichts, weil der wöchentliche Schultag auf einen Feiertag gefallen war.

Der zweitjüngste hatte bisher noch gar keine Schule. Er kann sich auch nicht erinnern, wann er das letzte Mal Schule hatte. Wir beiden lernen einsam zu Hause, neulich hatte ich vergessen abends die Aufgaben einzusenden und bekam einen Eintrag ins Klassenbuch. Nun sollte es wieder losgehen, aber die Premiere fiel auf einen Brückentag. Den Englisch-Vokabeltest haben wir deswegen wieder ins Esszimmer verlegt.

Nicht anders ist das bei den beiden Großen: Die eine hat schon Sommerferien. In Geschichte war es zuletzt um Dekolonialisierung gegangen, in Mathe standen Zahl-Variable-Operationen auf dem Lehrplan und in Physik Wärmelehre. Ich finde angesichts von „Black Lives Matter“ wäre Dekolonialisierung schon ein interessantes Thema und in Wärmelehre ließe sich zumindest für den Winter vorlernen. Die Schule fand das nicht und verkündete Sommerferien. 

Immerhin hat der ganz Große sein Abi machen können. In der mündlichen Prüfung fehlte zwar die Fachlehrerin, weil sie als Schwangere genauso zur Corona-Risiko-Gruppe zählt, wie der über 60jährige Kollege, der sonst immer eingesprungen war. Aber auch vor den fremden Prüfern hat der Älteste bestanden. Ist ja auch mein Sohn. Die Verleihung der Abi-Zeugnisse wird übrigens gestreamt. Eltern, Großeltern, Freunde sind vor Ort nicht zugelassen.

Judith meint: „Baumarktbetreiber haben eine Lobby. Schüler nicht.“ Ich sage, das sind die Tücken der Kultusministerkonferenz, die ich mir als Bienenstock mit 16 Königinnen vorstelle. Die wüssten auch nicht, ob sie jetzt Lavendel- oder Jasmin-Honig befehlen sollten. Ein bisschen besser wäre es, Schulen, Lehrpersonal und Ministerien tüftelten nicht länger am „wie“, sondern machten, wie wir zu Hause so sagen: „einfach mal hin“. Einfach mal auf. Einfach mal Unterricht. Wir Daheimbleibenden kämen dann auch voran. Meine gebratene Taubenwurfmaschine wäre höchst wahrscheinlich schon fertig und wenn es gut läuft, wären unsere Kinder irgendwann im Stande, etwas noch Klügeres zu erfinden.