Warum uns Elon Musk nicht auseinander bringt

Normalerweise sind sich Judith und ich in der Beurteilung von Menschen einig. Abgesehen davon, dass meine Frau bei allem Knatsch auf dieser Welt stets das Gute im Menschen sieht und ein strahlendes Lächeln als ihre Waffe wählt, während ich schon mal mit den Augen rolle – abgesehen davon also, dichten wir in Männer und Frauen oft das Gleiche hinein. 

Als wir jüngst nachts bei schwerem Regen so gegen halb zwei in einer angesagten Cocktailbar in Wien stehen und jeder unseren French 75 schlürfen, der nach einer legendären französischen Kanone mit erheblicher Durchschlagskraft benannt ist, blinzelt Judith zu einem Fuchs rüber, der tot über der Schulter einer Dame liegt. Wir sind uns einig, dass die Fuchsstola-Trägerin ein männermordendes Weibsstück sei, weswegen ich nicht einmal zwinkere, als sie mir kurz direkt in die Augen schaut. Ich bin eiskalt wie mein Drink. Und der weißhaarige Herr im knielangen, engen Kapuzenmantel, der seine Zunge in den Hals einer Jüngeren steckt, regt Judith an, mir das Tragen von Kapuzenpullis final zu verbieten, weil die eine Altersbegrenzung nach oben eingebaut haben. Ich muss da im Kleiderschrank nicht viel aussortieren, weil mir der Sinn von Kapuzen außerhalb der Regenzeit nie eingeleuchtet hat.

Nur bei Elon Musk marschieren Judiths und meine Meinung streng auseinander. Musk schrieb in dem Netzwerk „X“, das er sich zugelegt hat, dass ausgerechnet die AfD die Retterin Deutschlands werden könnte. Es sei ein bisschen besser, schimpft meine Frau, wenn der sich bei uns raushielte. Und Twitter sei auch nicht mehr das, was es mal war, seit es „X“ heiße. Ich erinnere sie daran, dass sich auch deutsche Unternehmer wie etwa ein ehemaliger Siemens-Chef wortgewaltig im gleichen Netzwerk gegen Donald Trump gewandt haben. Und dass Musk doch mit seinem Spielzeug „X“ machen könne, was er wolle. Ich mache außerdem aus meiner Bewunderung für den Mann kein Hehl, der Raketen zusammenschraubt und Menschen per Rohrpost quer durch den Kontinent schießen will. Ich glaube, Elon und ich, wir wären als Jungs unten im Bastelkeller gut miteinander klargekommen, auch wenn ich schon damals auf Verbrennungsmotoren stand und er nicht. Ist wahrscheinlich so ein Jungsding, das uns verbindet.

Ich denke trotzdem, dass Elon unsere Beziehung nicht auseinander bringt. Als Judith und ich anderntags gegen 12 Uhr im Kaffeehaus beim Gabelfrühstück unsere erste Melange schlürfen, sehen wir gleichgelaunte Wiener und stellen erleichtert fest, dass wir nicht in einer Stadt der Frühaufsteher, Sportskanonen und Müsli-Fraktionisten aufgewacht sind. Es kommt sogar die Sonne raus, und ich muss mir die Hand schützend vor die Augen halten. Gleichmütig bescheint sie in diesem Augenblick irgendwo die Fuchsfrau genauso wie den Kapuzenmann. Sie scheint für Elon und Donald. Und wie sie so strahlt, erinnert mich das an Judith, die sich gerade den Milchschaum von der Oberlippe wischt und ihr Lächeln dabei eine Durchschlagskraft entwickelt, die jede französische Kanone zu einem Sesselfurzer degradiert.